08.05.: Tag der Befreiung vom Faschismus. Nie wieder ist jetzt – für alle!

Der folgende Redebeitrag stammt von der Kundgebung am Leopoldplatz am 08. Mai. Dort wurde er gekürzt vorgetragen, im Rahmen des antifaschistischen Fahrradcorsos der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA).

Der 8. Mai 1945 war die militärische Niederlage des deutschen Faschismus. Er war das Ende des Naziterrors und die Befreiung aus einem System der Vernichtung, des Krieges und der Unmenschlichkeit. Der 08. Mai heißt: Gedenken und Mahnung an die Shoa, an den massenmörderischen Antisemitismus.

Dem 8. Mai zu gedenken heißt erinnern und kämpfen, heißt, sich an die Schrecken des Krieges und an die 60 Millionen Menschen zu erinnern, die ihr Leben verloren haben.

Es heißt dafür zu kämpfen, dass sich all das niemals wiederholt.

Sich an den 08. Mai zu erinnern heißt: „Nie wieder Krieg – jetzt und für alle“. „Nie wieder Faschismus heißt auch: Nie wieder Völkermord“. Denn obwohl der Faschismus in Europa 1945 militärisch durch die Rote Armee und den westlichen Alliierten besiegt wurde, ist er nie ganz verschwunden. 

Nicht nur die Nazitäter blieben meist unangetastet – auch die politischen und sozialen Strukturen blieben vielfach bestehen. Der Faschismus konnte nicht vollständig besiegt werden, da der Kapitalismus, der ihn in sich trägt, bis heute weiter fortbesteht. 

Wir sehen, wie sich die Parteien der sogenannten „Brandmauer“ aus der selbsternannten „Mitte der Gesellschaft“ seit Jahrzehnten an einer Politik der Ausgrenzung und der menschenfeindlichen Hetze beteiligen. Parteien, die sich selbst als demokratisch bezeichnen, haben Gesetze durchgesetzt, die den Interessen des Kapitals und ihrer Lobby dienen – nicht den Menschen.
Sie hetzen rassistisch, verschärfen Abschiebegesetze am laufenden Band und haben das Grundrecht auf Asyl de facto abgeschafft. Diese Kräfte haben den Hass auf Migrant:innen verbreitet und so der AfD und ihrer faschistoiden Politik dem Weg mitbereitet.

Unser Gedenken heißt, die Würde derer anzuerkennen, die Opfer der faschistischen Maschinerie wurden, heißt, den Schmerz der Überlebenden der KZs, der Zwangsarbeiterlager und im erzwungenen Exil nicht zu vergessen. Wir kämpfen für eine Welt, in der Krieg nicht mehr das Mittel ist, um die Interessen des Kapitals durchzusetzen. In diesem Sinne erinnern wir daran, dass kein Staat über der Würde und dem Recht auf Leben steht. 

Wir sind am 8. Mai auf der Straße, um zu erinnern und unsere Kämpfe nicht zu vergessen: Den Klassenkampf, den Kampf gegen Imperialismus und Aufrüstung, gegen Krieg, Ausbeutung und Rassismus.

Wir erinnern uns, kämpfen und organisieren uns – denn nur so können wir uns ihrem System aus Ausbeutung und Unterdrückung widersetzen, welches in Krisenzeiten noch brutalisierter und offener menschenfeindlich wird. Die herrschende Klasse verliert keine Zeit und keine Gelegenheit, neue Gesetze und Mechanismen durchzusetzen, die nicht nur unsere grundlegendsten Rechte einschränken, sondern auch den Widerstand im Keim ersticken sollen.

Diese Gesetze werden zuerst an den Verletzlichsten ausprobiert: Heute an Menschen ohne Aufenhaltstitel, an Asylsuchenden oder an regulär migrierten Menschen. Repressionsmechanismen werden immer brutaler. Sie haben das Ziel, internationale Solidarität zu zerschlagen und unsere Organisierungsmacht zu schwächen.

Wir erinnern uns, kämpfen und organisieren uns – weil die Verbrechen mächtiger Staaten immer bei den Schwächsten anfangen. Heute genauso wie damals.

Wir erinnern uns, kämpfen und organisieren uns, weil wir nicht ignorieren können, dass die BRD eine der größten Waffenproduzentinnen der Welt ist. Die gleichen Waffen, mit denen in Europa Kriegsverbrechen begangen wurden, töten heute Studierende in Mexiko, im Sudan, im Kongo und eine ganze Bevölkerung – über 50.000 Menschen in Gaza. 

Wir erinnern uns, kämpfen und organisieren uns, weil die BRD ihre militaristischen, aufrüstungspolitischen und kriegstreibenden Ziele nicht aufgeben wird.

Wir weigern uns, Kanonenfutter für ihren imperialistischen Krieg zu sein.
Wir weigern uns, den Interessen des deutschen Kapitals zu folgen.

Denn während dank der BRD die Rüstungskonzerne Profite zählen, werden in anderen Ländern, in denen deutsche Waffen eingesetzt werden, die Toten, die Verletzten, die Waisen und das Leid gezählt. 

Wir brauchen keine weiteren Waffen, keine größere Armee. Wir brauchen keine 100 Milliarden für Zerstörung oder 500 Milliarden um unsere Infrastruktur militärischen Bedürfnissen anzupassen, sondern für die sogenannten „Brennpunktschulen“, die nichts anderes sind als das Ergebnis politischen Versagens.

Wir brauchen hunderte Milliarden für das Gesundheitssystem, für gute medizinische Versorgung und dafür, dass die Arbeiter:innen im Gesundheitswesen nicht mehr ausgebeutet werden. 100 Milliarden für Frauenhäuser, für die Prävention von geschlechtsspezifischer Gewalt, zur Verhinderung von Frauenmorden/Feminiziden. Wir vergessen nicht, dass jeden Tag eine Frau von ihrem Partner oder Ex-Partner ermordet wird. Feminizide, die der Staat hätte verhindern können.

Wir brauchen 100 Millarden für Bezahlung der Reproduktionsarbeit, für würdige Bedingungen für Menschen im Asylverfahren, für soziale Beratungsstellen, für Kultur, Wissenschaft, für Spielplätze, für eine Kindheit und ein Altern in Würde. 

Stattdessen werden hunderte Milliarden in Panzer gesteckt, während die Menschen mit steigenden Mieten und Lebenshaltungskosten in Deutschland kämpfen, während etwa jedes vierte Kind in Berlin in Armut lebt, während ältere Menschen immer ärmer werden und bis zum Tod arbeiten müssen. Wir brauchen hunderte Millarden für das Leben, nicht für den Tod.

Wir erinnern uns, kämpfen und organisieren uns – gegen den Rassismus, der Tag für Tag auf den Straßen präsent ist, in den Behörden, in den Zeitungen, im Radio und Fernsehen, in den Gerichten, in den verletzenden Worten, die ganze Bevölkerungsgruppen stigmatisieren und kriminalisieren. Genauso wie damals. Wir vergessen die Anschläge von Faschisten nicht, auch wenn die Zeitungen an Amnesie leiden, sobald die Anschläge von deutschen, männlichen Weißen begangen werden.  

Wir erinnern uns, kämpfen und organisieren uns, weil rassistische Polizeigewalt freie Hand hat, wenn die Person um die es geht nicht weiß ist. In diesem Jahr hat die Polizei bereits 11 Menschen ermordet und erst vor zwei Wochen ermordeten sie Lorenz in Oldenburg. Wir vergessen nicht. Denn wenn Politiker von Kriminellen, Terroristen, Geflüchteten oder Migrant:innen reden, meinen sie nicht alle Migrant:innen. Sie meinen die nicht-weißen, die nicht-europäischen, die aus dem globalen Süden und die, die keine verwertbare Ausbildung besitzen. 

Und sie verschweigen, dass Menschen aus dem Globalen Süden migrieren, weil der Norden über Jahrhunderte hinweg gemordet, geplündert, geraubt und ausgebeutet hat – so sehr, dass den Menschen nichts anderes übrig bleibt, als dorthin zu gehen, wo ihr Reichtum hingebracht wurde. Bis heute bleibt diese Ausbeutung bestehen und wird mit aller Gewalt abgesichert.

Wir erinnern uns und schauen in den Spiegel, denn auch wir sind nicht unantastbar, auch wir haben Vorurteile gegenüber dem „Anderen“ verinnerlicht. Aber: Wir erinnern uns und wir lassen uns nicht spalten. Denn die Solidarität von unten, als Arbeiter:innen, ist unsere mächtigste Waffe.

Aus all diesen Gründen sind wir heute hier – zum Gedenken und Erinnern, um nicht zu vergessen, warum wir weiter kämpfen und uns organisieren müssen. Nur wir, die von unten, können diese Terrormaschine stoppen. Nur wenn wir uns vereinen und organisieren, können wir Militarismus, Waffenexporte, rassistische Hetze, den aufkommenden Faschismus und die ihm zugrunde liegende Ausbeutung im Kapitalismus als seine Basis ernsthaft bekämpfen.

Lasst uns nicht zu Menschen ohne Menschlichkeit werden!

Und so sagen wir:
Nie wieder Faschismus!
Nie wieder Hass auf Jüdinnen und Juden, Sinti und Roma.
Wir schweigen nicht zu Verfolgung und Hetze!

Nie wieder schweigen, nie wieder wegschauen, nie wieder Mittäterschaft!
Nie wieder Genozid und ein menschenwürdiges Leben für alle!
Nie wieder ist jetzt – für alle!