Kommentar: Gegen die Festung Europa! Auch in Zeiten von Corona!

Am vergangenen Mittwoch kam es im Wedding zu einer politischen Aktion gegen die Festung Europa und die deutsche Rüstungsindustrie. Aktivist*innen hängten Transparente am Torfstraßensteg auf, mit denen sie Nachbar*innen auf die verbrecherischen Geschäfte von Rüstungsunternehmen wie des dort ansässigen Konzerns Thyssenkrupp aufmerksam machen wollten. Zudem sprühten sie Sprüche auf die Brücke wie: „Wir haben Platz!“, „Nein zur Festung Europa!“, „Fluchtursachen bekämpfen!“ und „Alle Lager abschaffen!“.

Die Aktion stieß laut Berichten bei den Passant*innen, die am Kanal die Sonne genossen, auf große Zustimmung. Doch kurz darauf fuhr die Polizei vor und nahm aus der Vielzahl von anwesenden Menschen laut Presseberichten (1) fünf Personen fest. Augenzeugen zufolge traten die etwa vierzig eingesetzten Polizist*innen martialisch und in völlig unverhältnismäßiger Art und Weise auf.

Nachdem die Festgenommenen für längere Zeit am Nordufer festgehalten wurden, brachte die Polizei sie zur Gefangenensammelstelle nach Moabit. Nach Angaben von Augenzeugen kam es dabei zu rassistischem und sexistischem Verhalten seitens der Polizei. Wir erklären uns solidarisch mit den Festgenommenen und dem Anliegen der Aktion. (2)

Profite mit Krieg 

Denn während die Corona-Pandemie die Situation für schutzsuchende Menschen weltweit weiter verschärft, hat die Bundesregierung im vergangenen Jahr nahezu doppelt so viele Genehmigungen für Rüstungsexporte wie im Vorjahr erteilt – so viele wie noch nie zuvor. Im Handel mit den in Deutschland produzierten Waffen und Kriegsgütern schafft die Bundesregierung permanent Fluchtursachen, unterstützt Massaker und treibt Hunderttausende in die tödliche Flucht. Ein Ende dieser todbringenden Maschinerie ist nicht in Sicht! Im Gegenteil: im Zeitraum von Januar bis März 2020 hat die Bundesregierung bereits mehr Genehmigungen für Kriegswaffen und sonstige Rüstungsexporte erteilt als im Vergleichszeitraum 2019. Die Thyssenkrupp AG ist seit jeher einer der großen Profiteure dieses perversen Geschäftes mit dem Tod. Dieser Konzern unterhält zudem Tochterfirmen wie die Tyssenkrupp Schulte GmbH hier im Wedding, um im kapitalistischen Sinne noch profitabler an der Ausbeutung der Belegschaft und dem Geschäftmodell Krieg zu verdienen.

Kriminalisierung, Gewahrsam, Tod

Die wenigen Menschen, die es schaffen den Bomben zu entkommen und die Mauern der Festung Europa zu überwinden sind auch in Deutschland verschiedenen Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt. Zum Beispiel dem institutionellem Rassismus in den deutschen Behörden – etwa in der Berliner Ausländerbehörde am Friedrich-Krause-Ufer. Dazu kommt die rassistische und häufig tödliche Polizeipraxis in diesem Land. Geflüchtete werden als Menschen zweiter Klasse behandelt. In Lagern eingepfercht und rund um die Uhr kontrolliert, können sie sich nicht frei bewegen. Trotz der häufig durch Fluchterfahrung verursachten schweren physischen und psychischen Schäden, haben sie keinen Anspruch auf eine vollumfängliche Gesundheitsversorgung. Eingesperrt am Rande der Städte werden sie zudem mit der Brutalität einer menschenverachtenden Asylpolitik konfrontiert, die die Isolation vertieft und Solidarität untereinander zerschlagen soll. Die etablierte eruopäische Praxis der Flüchtlingsabwehr wird somit auf verschiedenste Art und Weise und jenseits von Kostenfragen (2021 sind 1.6 Milliarden für die Organisation FRONTEX 2021 veranschlagt), in den jeweiligen Nationalstaaten systematisch weitergeführt. 

Gemeinsam Herauskämpfen – solidarische Netzwerke aufbauen! 

Es ist eigentlich nicht schwer, diesen tödlichen Zuständen, auch in Berlin politisch zu begegnen! Hierzu bedarf es konsequenter Maßnahmen, wie etwa einem sofortigen Stopp aller Waffenexporte, das Schaffen legaler und staatlich finanzierter Fluchtwege sowie die Abschaffung aller Lager und das Aussetzen von Abschiebungen. Auch kleine, längt überfällige Maßnahmen wie ein Verbot rassistischer (Polizei-)Kontrollen und dessen konsequenter Umsetzung gilt es jetzt durchzusetzen! Wir solidarisieren uns mit den Kämpfen der Menschen in den bundesweiten Asyl-Lagern, wie Halberstadt, Bremen, Würzburg, und vielen weiteren. Ihren Kampf für die Schließung aller Lager und das Recht auf menschenwürdige Unterbringung gilt es zu unterstützen! Denn jenseits der benannten strukturellen Lösungen müssen gemeinsame solidarische Netzwerke, bestehend aus schutzsuchenden Menschen in Lagern, (illegalisierten) Migrant*innen und politischen Selbstvertretungen von z.B. Flüchtlingsverbänden, Schwarzen Menschen, People of Color usw. hier und jetzt auf- und ausgebaut werden. Einserseits um dem regelmäßigen Sterben in Gewahrsamssituationen oder der steigenden rassistischen und faschistischen Bedrohung auf der Straße offensiv zu begegnen. Andererseits um langfristig revolutionäre Brüche mit täglicher Unterdrückung, Ausbeutung und Ausgrenzung zu schaffen, die diese mörderischen Zustände erst ermöglichen.

Protest auch in Zeiten von Corona

Aufgrund der Corona-Pandemie erleben wir derzeit einen beispiellosen Einschnitt von Grund- und Freiheitsrechten. Auch wir sehen selbstverständlich die Notwendigkeit die Ausbreitung des Corona-Virus zu stoppen und vielfältige Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie zu ergreifen. Dieser Staat nutz dies allerdings um autoritäre Maßnahmen durchzuexerzieren und zu normalisieren, vorallem gegen Protest. So war der Polizeieinsatz vom vergangenen Mittwoch völlig unverhältnismäßig. Unter dem Vorwand des Infektionsschutzes wurde eine friedliche Protestaktion, wie bereits kürzlich am Leopoldplatz, unterbunden und kriminalisiert.Auch dieser Polizeieinsatz hat gezeigt: unsere Freiheit müssen wir selbst verteidigen. Der Ausnahmezustand darf nicht der Normalzustand werden!
Auch wir schließen uns den Parolen dieser Aktion an: 

„Nein zur Festung Europa!
„Wir haben Platz!
„Fluchtursachen bekämpfen!
„Alle Lager abschaffen!

(1) www.bz-berlin.de/liveticker/polizeieinsatz-bei-aktion-gegen-thyssenkrupp
(2) www.bz-berlin.de/berlin/mitte/fuenf-festnahmen-bei-protest-aktion-in-berlin-moabit