Lesung und Diskussion: Auswirkungen des Neoliberalismus auf die Soziale Arbeit

Die Organisation unseres Arbeitsplatzes sowie die Methoden und Praxis in der Sozialen Arbeit sind neoliberalen Ideologien und Prinzipien unterworfen. Leistung, Effizienz und Profit werden wie in einem Produktionsprozess auch an soziale Dienstleistungen zum Maßstab erklärt. Diese Orientierung am Markt sickerte langsam aber stetig über die letzten Jahre in die professionelle Arbeit. An die Stelle von Solidarität und sozialer Gerechtigkeit als eine Arbeitsgrundlage, tritt im neoliberalen Kapitalismus die Wirtschaftlichkeit sozialer Beziehungen. Fürsorgepflichten können also nur verrichtet werden, wenn Träger gegen die Konkurrenz bestehen und sich die soziale Praxis am Ende finanziell lohnt.

Gemeinsam mit Mechthild Seithe, die diese Entwicklungen bereits vor über 15 Jahren skandalisiert und öffentlich gemacht hat, diskutieren wir anhand ihres unveröffentlichten Romans „Das war gestern, Ackermann!“, aus dem sie lesen wird, über neoliberale Entwicklungen in der Sozialen Arbeit und wirksame Gegenstrategien in Betrieb und Alltag.

Mechthild Seithe war viele Jahre als Professorin an der Fachhochschule Jena tätig, ist Autorin des Buches „Schwarzbuch Soziale Arbeit“ und Mitbegründerin des „Unabhängigen Forums kritische Soziale Arbeit“. Seit 2011 ist sie pensioniert.

Die Veranstaltung wird aus dem monatlichen Solidaritätstreff „Hart am Limit – Soziale Arbeit im Kapitalismus“ organisiert.

Das war gestern, Ackermann!

Der Roman spielt 2005 in Mühlheim an der Ruhr. „Tatort“ der Handlung ist ein großer freier Träger der Sozialen Arbeit, der sich vor einiger Zeit in einen Sozial-Betrieb umgewandelt hat und nun seine neoliberale Konzeption und Geschäftsführung Schritt für Schritt auf dem Rücken der KlientInnen und der MitarbeiterInnen durchsetzt. 

Herr Ackermann, ein psychologischer Berater im Sozialdienst eines christlichen Trägers, der dort seit 20 Jahren seinen Beruf voller Leidenschaft ausübt und von seinen Klienten hochgeschätzt wird, verliert seinen Arbeitsplatz durch die Umwandlung seines Wohlfahrtsträgers in einen Sozial-Betrieb. Er und seine Arbeit scheinen plötzlich nicht mehr gebraucht zu werden. 

Man steckt ihn in die Planungsabteilung. Dort soll er Anträge schreiben und ausrechnen, wo der Träger Personal- und Sachkosten einsparen kann. Es geht es dem Träger nur noch darum, Gewinn zu erzielen. Die Arbeit, die die MitarbeiterInnen machen, ist ihm egal, Hauptsache es entstehen keine zu großen Kosten. Ackermann kommt es vor, als hätte man ihm den Boden unter den Füßen weggerissen. 

Mit seinen aus der Sicht des neuen Arbeitgebers veralteten und zeitaufwendigen, sprich teuren, Beratungsmethoden, rechnet sich der Lebensberater Ackermann für den Träger nicht mehr. „Das, was Sie da machen, das war gestern, Herr Ackermann. Heute weht ein anderer Wind. Da können wir uns eine solche Geldverschwendung nicht mehr leisten!“, erklären ihm seine Vorgesetzen. […] 

Roman, Mechthild Seithe