Teil 2: Geschichten der Verdrängung

Wer ist dieser Skora? Ein Akteur der Verdrängung!
Was können wir tun? Solidarität mit bedrohten Mieter*innen zeigen!
Auf das Konto des Berliner Immobilieneigentümers Peter Alexander Skora und seiner Hausverwaltung gehen zahlreiche Verdrängungen von Mieter*innen, wie die von zwei Weddinger*innen. Sie wurden vor einem Jahr mithilfe des Amtsgerichtes Wedding aus ihrer Wohnung geworfen, obwohl die vorherigen mündliche Absprachen mit dem Eigentümer anderes versprachen.
Über ihre Erfahrungen, den eigenen Wohnraum in einer Stadt mit einem massiven Konkurrenzdruck auf dem Wohnungsmarkt, gewaltsam entzogen zu bekommen, haben beide betroffene Person, V. und S., Texte geschrieben. Sie sollen die Kälte und Brutalität dieses auf Profit und Rendite ausgerichteten Systems verdeutlichen.
Was ist nach dem Urteil passiert? BeBerlin
Die Sache war also durch und jeder musste sich schnell etwas neues suchen. Neben psychischer Belastung, die uns eh seit Wochen plagte, neben Fulltime Jobs und dieser traumatischen entwürdigenden Begegnung in Form des Gerichts.
BeBerlin hat uns netterweise direkt nach dem Gerichtsurteil einen Brief geschickt, mit dem Angebot im Obdachlosenheim unterzukommen.
Ich sage jetzt absichtlich nicht, wie wenig Zeit man hat die Wohnung zu räumen, da es Leute gibt, die dann denken „Häh, das geht doch?“. Ja, für jemanden der vielleicht einen Haufen an Geld verdient, einen unbefristeten Arbeitsvertrag hat, eine tolle Bürgschaft und am besten einen „Deutschen“ Vor- und Nachnamen, geht das vielleicht.
Aber ich, mit meinem unbefristeten Vertrag, 4 ausländischen Vornamen und einem ausländischen Doppelnachnamen, ausländischen Eltern, bin leider nicht so schnell an eine eigene Wohnung gekommen. 
Bilanz meiner Wohnungssuche nach zwei Wochen: So gut wie keine Antworten von Vermieter*innen, eine Antwort ob ich den Pass meiner Mutter noch einscannen könne und eine WG-Zusage wo ich dann doch nicht einziehen konnte, weil die Vermieterin meinen Einzug wegen „Überbelegung“ erfolgreich verhindert hat.

Danach war mein Motto: Ok ich versuche einfach das zu bekommen, was ich bekommen kann und nicht das zu bekommen, was ich mir eigentlich wünsche. 
Ich habe also wieder ein WG-Gesuch geschaltet und tatsächlich eine WG gefunden. Aber: Ich wohne wieder in einer WG in der man sich garnicht traut dem Vermieter zu sagen, dass ich eingezogen bin. Und dieses Phänomen habe ich in meinen 4 Jahren Berlin nun echt oft beobachtet: Man möchte bei Vermietern keine schlafenden Hunde wecken – man verzichtet lieber auf seine Rechte, bevor der Vermieter einem eine Mieterhöhung oder einem die Klage um die Ohren haut. Und wozu führt das? Der Markt um WG-Zimmer (von Wohnungen wage ich garnicht zu träumen) ist noch härter und noch sozial ausgrenzender als er sowieso schon ist. Ich höre so oft Sätze wie „Ich habe meinem Vermieter bei meinem Auszug neue Mieter vorgeschlagen, aber die Architekten aus dem Iran wollte er nicht – lieber die blonde Studentin.”. – Ich würde sogar sagen, dass Menschen, die eigentlich gegen Rassismus sind, plötzlich dazu gezwungen werden, sich dem von oben kommenden System zu beugen und mitzumachen. 
Ich habe leider keine Statistik dafür, aber ich glaube, dass jeder, der/die mal in einer WG in Berlin gelebt hat nachempfinden kann, dass uns dieses kämpfen ala „surivival of the fittest“ immer mehr vor Augen geführt wird und man “froh sein kann”, etwas abzubekommen. Es ist zur traurigen und schlimmen Normalität geworden, dass Wohnraum knapper und immer teurer wird.
Wen trifft es?
Man muss also Glück haben – und genau deswegen kann es am Ende jede/jeden treffen, sodass man „Pech gehabt hat“. Die Gier von einigen Vermieter*innen steigt, sodass sozial schwachgestellte Menschen immer weniger Chancen auf eine bezahlbare Wohnung haben. Die Konkurrenz wächst und die Anzahl an bezahlbaren Wohnungen sinkt.
Leuten, die einen falschen Nachnamen oder eine falsche Hautfarbe haben kann ich empfehlen sich jetzt schon einmal Energie anzusparen um die Motivation aufrecht erhalten zu können, dass es nicht-rassistische Vermieter*innen gibt – Menschen mit falscher Hautfarbe oder Namen können sich in der Wohnungsnahrungskette nämlich jeden Tag erneut ganz hinten anstellen – da hilft es auch nicht, zu warten. Die Hautfarbe ändert sich nämlich nicht.
Was müssen wir tun, damit Menschen vor der Willkür und den Renditeinteressen der Eigentümer*innen besser geschützt sind?
In erster Linie kann ich jedem Mieter*in empfehlen, seine eigenen Nachbarn kennenzulernen. Ich weiss, dass das in Berlin vielleicht schwer fällt, aber es ist eigentlich nur gewinnbringend für sich selber und für andere. Durch den Austausch in der Nachbarschaft erhält man nicht nur Wissen über den Vermieter und andere Erfahrungsberichte – sondern es stärkt auch unglaublich die Solidarität anderen Mitmenschen außerhalb des eigenen Dunstkreises gegenüber. 
Wer mehr Energie hat, informiert sich über Gruppen, die sich zum Thema Mietenwahnsinn in der eigenen Stadt oder im Kiez engagieren. Dort kann man sich ebenfalls informieren, Informationen geben oder sich sogar Veranstaltungen, Aktionen, Beratungen, etc. engagieren.
Eine Herzensangelegenheit als nicht weißer Mensch: Sprecht eure Nachbarn oder Mitmenschen an, die sich in einer prekären Wohnsituation befinden. Nicht alle Menschen haben den Mut oder das Wissen, wie man sich kostenfreien Rat einholen kann. Gerade Menschen, die vielleicht nicht so gut Deutsch sprechen, tragen Hemmungen oder Barrieren mit sich herum Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Gegen die Renditeinteressen weiss ich nicht, ob man den Menschen ihre kranke Gier nehmen kann – aber jede/r, die/der betroffen ist sollte sich wehren und nicht einfach verdrängen lassen!
Wenn es psychisch zu anstrengend ist, darf man sich auch Unterstützung holen. Ich habe letztens gehört, dass Wut und Trauer Geschwisteremotionen sind und uns unsere Wut immer mehr “aberzogen” wird, da es sich in unserer Gesellschaft “nicht gehört” wütend zu sein. Interessanterweise steigt die Anzahl an Menschen, die an Depressionen erkranken – daher würde ich sagen, seid auch wütend und schaut, woher diese Wut kommt – sprecht dann darüber, vernetzt euch und wehrt euch. 
Am Ende geht es nämlich nicht nur um Wohnraum, sondern auch um soziale Verdrängung und Rassismus.
Wie fühle ich mich jetzt?
Nach wie vor habe ich das Gefühl, dass ich es mit Migrationshintergrund und ausländischem Namen schlechter habe, als andere. Das ist ein wenig verletzend, vor allem wenn man sich meinen perfekten lückenlosen Lebenslauf anschaut. Ich kann mich noch so viel bemühen, mich in diesem System zu integrieren – es scheitert dann am Ende manchmal doch an Dingen, die ich leider nicht ändern kann. 
Wahrscheinlich werde ich das Gefühl nie los (wie auch viele andere ohne Migrationshintergrund haben!) „gerecht in Deutschland behandelt zu werden“ – aber ich gebe den Glauben auf keinen Fall daran auf, dass man bei allem auch irgendwann mal Glück haben kann. Aber von Glück sollte ein Dach über dem Kopf ja eigentlich nicht abhängen.
Morgen folgt Teil 3 der „Geschichten der Verdrängung“, geschrieben von S.