Veranstaltung: Soziale Arbeit im Neoliberalismus

„Es heißt, Sozialarbeitende könnten keinen Beitrag für den sozialen Wandel leisten, denn ihre Arbeitgeber*innen bezahlten nicht für diesen Zweck. In diesem Zusammenhang ist Soziale Arbeit nur ein Reflex der herrschenden politischen Kräfte. Wenn diese Kräfte progressiv sind, dann ist es die Soziale Arbeit auch. Wenn diese Kräfte nach innen und rückwärtsgewandt sind, wird Soziale Arbeit ebenfalls diesen herrschenden Interessen folgen.“

Broschüre: Hart am Limit – Soziale Arbeit im Kapitalismus

Soziale Arbeit ist bekanntlich chronisch unterfinanziert. Diese Unterfinanzierung verschärfte sich im Zuge des verstärkten neoliberalen Umbaus des Sozialstaates seit den 1980er Jahren. Auch in der Sozialen Arbeit wurde der Paradigmenwechsel umgesetzt. Für die öffentliche Daseinsfürsorge bedeutete dies einen massiven Legitimations-, Kosten- und Rechtfertigungsdruck, der bis heute andauert. Viele Tätigkeiten der Sozialen Arbeit wurden an freie Träger outgesourct, die die Arbeit kostengünstiger als die Kommunen leisten sollen.
Dieser Paradigmenwechsel bedeutete für die Kolleg*innen der Sozialen Arbeit, dass die Rahmenbedingungen des Arbeitsmarktes dereguliert, also stärker dem kapitalistischen Markt unterworfen wurden und werden.

In diesem Zuge wurden Arbeiter*innenschutzrechte abgebaut, befristete Beschäftigungsverhältnisse ausgeweitet und Tarifverträge aufgeweicht. Viele Kolleg*innen wissen beispielsweise nicht, ob ihre Stelle im nächsten Haushalt eingeplant ist und weiter finanziert wird. Damit einher gehen Existenzunsicherheiten und hohe personelle Fluktuationen in den Betrieben und Projekten. Auch darüber werden dringend notwendige betriebliche und gewerkschaftliche Organisierung erschwert. Das Normalarbeitsverhältnis im Sinne von dauerhaft, Vollzeit, sozialrechtlich geschützt und tariflich bezahlt, bleibt weiterhin ein Auslaufmodell. Nicht die Bedarfe der Zielgruppen und Kolleg*innen sind Priorität, sondern eine marktwirtschaftliche „Kund*innenorientierung“ und „Effizienz“ (sprich Kostensenkung). Dies setzt(e) sowohl die freien Träger als auch die Kolleg*innen in direkte Konkurrenz zueinander.

Neben der fehlenden gesellschaftlichen Anerkennung, prekären Anstellungsverhältnissen und verschlechterten Arbeitsbedingungen entstehen auf fachlicher Ebene Tendenzen einer De-Professionalisierung und sicherheitspolitischen Vereinnahmung. Soziale Arbeit, die sich aus einer ehrenamtlichen Tätigkeit heraus professionalisiert hat, entwickelt sich zurück. Freiwillige und unterbezahlte Arbeit werden wieder verstärkt gefordert. Ehrenamtlich und spendenfinanziert sollen die Leistungen der Sozialen Arbeit erbracht werden – und den staatlichen Interessen zur Aufrechterhaltung der kapitalistischen Ordnung dienlich gemacht werden.

Es geht dann nicht mehr um das Subjekt als ein psychologisches, soziales, biografisches, handelndes Wesen. Es geht um ein Menschenbild, das Menschen auf ihre Integration in Markt- und Konsumfähigkeit reduziert. Die Soziale Arbeit läuft in diesem Zuge Gefahr, zu einem rein bürokratischen Verfahren und zur Verwaltungsinstanz zu werden. Sie wird gezwungen ihr berufsethisches Selbstverständnis und ihre Professionalität aufzugeben.

Gemeinsam mit Mechthild Seithe, die diese Entwicklungen bereits vor über 15 Jahren skandalisiert und öffentlich gemacht hat, diskutieren wir gemeinsam über neoliberale Entwicklungen in der Sozialen Arbeit und wirksame Gegenstrategien in Betrieb und Gewerkschaft.

Soziale Arbeit im Neoliberalismus – Ein kollegiales Gespräch mit Mechthild Seithe, über die Auswirkungen des Neoliberalismus auf die Soziale Arbeit
25.08.22 | 19 Uhr | Prinzenallee 58 | 2. Hinterhof, rechts

Mechthild Seithe war viele Jahre als Professorin an der Fachhochschule Jena tätig, ist Autorin des Buches „Schwarzbuch Soziale Arbeit“ und Mitbegründerin des „Unabhängigen Forums kritische Soziale Arbeit“.
Seit 2011 ist sie pensioniert. Wir bitten die Teilnehmenden, sich vorher tagesaktuell zu testen. Bitte kommt nur negativ getestet und symptomfrei.

Diese Veranstaltung wird aus dem monatlichen Solidaritätstreff „Hart am Limit – Soziale Arbeit im Kapitalismus“ organisiert